Samuel Koch - Einer, der nie aufgegeben hat

Lebensmut vor 600 geladenen Zuschauern spricht Samuel Koch in Wolpertshausen beim Neujahresempfang der VR-Bank Schwäbisch Hall- Crailsheim über psychische Widerstandfähigkeit. Seit einem schweren Unfall bei „Wetten, dass…?“ ist der 32-jährige querschnittsgelähmt. Er enthält minutenlangen Applaus.

Mit Seinen Erzählungen und seiner ruhigen Art hat Samuel Koch die Besucher des Neujahresempfangs der VR-Bank Schwäbisch Hall- Crailsheim in der Mehrzweckhalle Wolpertshausen in seinen Bann gezogen.

 

Über der Bühne der Mehrzweckhalle in Wolpertshausen hängen an Montagabend sechs kaum zu übersehende Schlagworte: Erfahrung, Disziplin, Zukunft, Chancen, Stärken und Erfolg. Worte, die im direkten Zusammenhang mit dem Thema des Abends stehen. Die VR-Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim hat zum Neujahresempfang mit 600 geladenen Gästen Samuel Koch nach Hohenlohe geholt. Der 32-jährige Schauspieler hat traurige Berühmtheit durch seinen schweren Unfall 2010 bei „Wetten, dass …?“ erlangt. Und er spricht über Resilienz – also Wege und Strategien, die einem helfen, mit schweren Schicksalsschlägen fertig zu werden.

 

Manchmal weiß man etwas erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat.
Nach der Begrüßung durch VR-Bank-Vorstandsvorsitzenden Eberhard Spies und einem Grußwort von Landrat Gerhard Bauer ist erst einmal auf den beiden großen Monitoren links und rechts der Bühne ein kurzes Video über Koch zu sehen. Nach Situationen seiner Turnerlaufbahn wird auch der Schicksalsschlag im TV und die Zeit danach nicht ausgespart. Dann wird Kochs höhenverstellbarer High-Tech-Rollstuhl auf die Bühne geschoben. Er schaut in den vollbesetzten Saal und sagt erst einmal mit fester und ruhiger Stimme nur leise „Hallo“. Er hat gleich die volle Aufmerksamkeit seines Publikums. Diese alten Bilder schaue er sich immer wieder „teilweise gerne an“, sagte er. Es gebe ja auch viele „lustige Erinnerungen“. So habe er nach seiner Verletzung während seiner Turnerlaufbahn einmal für zwei Monate nicht niesen dürfen. Es habe die Gefahr bestanden, dass er dadurch sein Auge „herausniesen“ würde. „Den Tag, an dem ich wieder niesen konnte, werde ich nie vergessen. Manchmal weiß man etwas erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat“, sagte Koch. Sein Unfall bei „Wetten, dass…?“ habe ihm dann aber wieder die Freude am Niesen genommen. Das könne er nur noch mit Hilfe anderer. Wenn es dann einmal eintritt, sei es ein sehr befriedigendes Erlebnis, „das mich das Genießen gelehrt hat“.

Sehr individuell
„Resilienz ist ja gerade ein Mode-Thema“, so steigt Koch in sein Kernthema ein. Es gebe sieben, in anderen Modellen aber auch sechs oder acht „Säulen der Resilienz“. Er dreht sich mit seinem Rollstuhl und deutet auf die Schlagworte im Hintergrund. „aber ist auch sehr individuell. Allen Strategien, mit Problemen umzugehen, sollten auch persönliche Werte und Ideale zugrunde liegen“, sagte Koch, während er mit einem in der Armlehne installierten Smartphone eine Präsentation startet. „Viel entwickelt sich schon in der Kindheit und der Jugend.“ Bei ihm sei es die bedingungslose Liebe seines Vaters gewesen, die ihn geprägt habe. Dann niest ein Zuschauer. „Gesundheit. Ich hoffe, Sie haben es genossen“, sagt Koch und hat die Lacher auf seiner Seite. Viele Menschen würden sich an ihren Errungenschaften messen. Sie lebten nach dem Grundsatz „Tun-haben-sein“. Koch hat dies für sich umgedreht: „Sein-haben-tun“ sei seine Maxime. „Wir sind schon wertvoll, weil wir etwas sind“, sagt er. Man könne zwar „einfach auf dem Sofa sitzen bleiben“, aber wir müssen und dürfen etwas tun“, so kommentiert er die Ratlosigkeit vieler Menschen angesichts der aktuellen großen politischen Probleme.

Wir sind schon wertvoll, weil wir etwas sind.
Dann gibt er dem Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. „Was hat Sie dazu gebracht, nicht aufzugeben?“, lautet eine. Er hätte seinen Freunden und der Familie die „Lizenz zum Gesäßtritt“ gegeben, erzählt Koch. Die Institution Familie sei besonders wichtig und sie gehöre gestärkt. Außerdem habe ihm sein Glaube geholfen und die Tatsache, dass er sich immer Beschäftigung gesucht habe. Seine Stufen der Resilienz seien nicht „höher oder besser“ als bei anderen Menschen, antwortet er auf eine weitere Frage, „das würde ich mir anmaßen zu behaupten“. Zum Schluss fragt er noch einen Text aus seinem aktuellen Buch „Steh auf Mensch“ vor und bedankt sich dann bei seinem Publikum. Und dann dankt ihm mit minutenlangem Applaus. VR-Bank-Chef Spies kommt auf die Bühne und sagt: „Sie haben uns gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Zivilgesellschaft mit familiärem Zusammenhalt ist.“ Er lädt die Gäste des Neujahresempfangs noch ein zu einem Abend mit vielen guten Gesprächen.

Gespräche drehen sich um Koch
Die drehen sich in erster Linie um Kochs Vortrag. „Mich hat das schwer beeindruckt“, sagt Katrin Heinritz, ehemalige Vorsitzende des CDU-Kreisverbands. Sie habe auch schon erste Erfahrungen mit dem Thema Resilienz gemacht. „Mir war das bislang kein Begriff, jetzt aber schon“, so Gastgeber Jürgen Silberzahn, Bürgermeister von Wolpertshausen. Und sein Mainhardter Amtskollege Damian Komor sagt: „So ein Abend zeigt einem, mit was für kleinen Problemen wir uns manchmal beschäftigen.“ Er wolle sich nun mit der Thematik auseinandersetzen., weil sie ja auch für Verwaltungen und Unternehmen bei der Personaldurchführung wichtig sei.

Der 4. Dezember 2010 ist ein Schicksalstag
Samuel Koch wurde 1987 in Neuwied geboren. Er wuchs im südbadischen Efringen-Kirchen auf. Mit sechs Jahren hat er mit dem Geräteturnen begonnen. Nach dem Abitur war im Wehrdienst bei der deutsch-französischen Brigade. Im Oktober 2010 hat er ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover begonnen. Am 4. Dezember 2010 war er Kandidat bei „Wetten, dass ...?“. Er wollte über fünf Autos zunehmender Größe springen, die ihm entgegenfuhren. Er sprang mit Sprungstiefeln im Vorwärtssalto über jeweils ein Fahrzeug. Beim vierten, das von seinem Vater gesteuert wurde, stürzte Koch. Er blieb regungslos am Boden liegen. Die Sendung wurde unterbrochen, später komplett abgebrochen. Koch ist seitdem Tetraplegiker eine Form der Querschnittslähmung, bei der alle viel Gliedmaßen betroffen sind. Mittlerweile kann Koch wieder seine Arme bewegen. Im November 2012 wurde er für sein autobiografischen Buch „Zwei Leben“ mit dem Medienpreis „Goldener Kompass“ ausgezeichnet. 2014 bestand er die Schauspielprüfung. Nach einem Engagement am Staattheater Darmstadt ist er seit der Spielzeit 2018/19 festes Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim. Koch macht sich für soziale Projekte stark. So unterstützt er unter anderem die Deutsche Stiftung Querschnittslähmung und die Stiftung „Wings for Life“.

Sein aktuelles Buch „Steh auf Mensch! Was macht uns Stark? (K)ein Resilienz-Ratgeber“ ist 2019 im Adeo-Verlag erschienen.